Die Zeit für die Wüstentour in den Erg Chegaga war endlich gekommen. Unsere Vorfreude war gross, sehnten wir uns doch schon so lange auf diesen - für uns ersten -Aufenthalt in einer Sandwüste.
Doch zuerst mussten wir in Zagora unsere Vorräte an Lebensmitteln, Frischwasser, Treibstoff und allem weiteren, was man für einen längeren Aufenthalt an einem einsamen Ort braucht, auffüllen. Wir hatten die Absicht, mehrere Tage in der Wüste zu verbringen.
Von Zagora aus fuhren wir Richtung Süden zum kleinen Wüstenort M’hamid El Ghizlane. M’hamid ist der westliche Zugang zum Erg Chegaga. Wir passierten den Wegweiser zur Wüste und unmittelbar danach fuhren wir bereits auf den steinigen und später sandigen Pisten. Um auch bei dieser Fahrt nicht im Sand stecken zu bleiben, musste Marcel wiederum den Reifendruck reduzieren. Diesmal liess er bereits von Beginn an bedeutend mehr Luft raus. Der reduzierte Reifendruck machte das Fahren noch spannender und herausfordernder. Marcel konnte Kurven driften und kleinere Dünen erklimmen. Er verglich das Fahren immer wieder mit dem Fahren im Schnee. Er machte auf mich den Eindruck eines Abenteurers, der die Grenzen des Möglichen auslotete. Aber zugleich wurde bei ihm das Kind im Manne geweckte, das sich nach Spass und Spiel sehnte. Wir spürten die Kraft des Motors, die Hitze der Sonne und die Schönheit der Landschaft.
Einige Stunden später suchten wir uns einen perfekten Biwak-Platz. Zwischen kleinen Sanddünen, die wie Wellen im Wind aussahen, liessen wir uns nieder.
Wir genossen die warmen und sonnigen Tage. Die Nächte hingegen waren eher auf der kühlen Seite. Die tiefste Temperatur, die wir massen, lag bei -0.7 Grad Celsius.
Es gab keine Lichtverschmutzung, nur das Funkeln der Milchstrasse. Wir genossen die Einsamkeit und die absolute Ruhe. Wir hörten nur unsere eigenen Geräusche und an den Abenden das Knistern des Lagerfeuers.
Nur wenige Wüstenlebewesen wagten sich aus ihren Verstecken. Ab und zu kamen eine kleine Wüstenmaus und diverse Wüstenkäfer vorbei. Sie waren neugierig auf die seltsamen Besucher, die hier campierten. Die Maus erhielt von uns Brot, das sie sofort in ihren verschiedenen Höhlenzugängen versteckte. Die Käfer verwöhnten wir mit Organgenstücken, die sie gierig aussaugten. Wir hofften nur, dass sie dabei keinen Vitamin-Schock erlitten. Die Wüstenmaus war so niedlich und zutraulich, am liebsten hätten wir sie mitgenommen.
Am vierten Tag in der Wüste kam ein ungemütlicher Wind auf, der den Wüstensand in unsere Augen und Ohren wehte. Unser Troopy war bald voller Sand, der durch jede noch so kleine Öffnung eindrang. Zudem zeichnete sich ab, dass eine grosse Schlechtwetterfront auf uns zukam. Da es in der Nacht zuvor bereits etwas geregnet hatte, war uns bewusst, dass es auch den Erg Chegaga treffen würde. Wir entschieden uns daher, die Wüstendurchquerung fortzusetzen und den Erg Chegaga in zwei Tagen zu verlassen. Schweren Herzens verabschiedeten wir uns von der kleinen Wüstenmaus und wünschten ihr alles Gute.
Weiter ging die Fahrt im grossen Sandkasten. Einsam war die Fahrt, nur einmal trafen wir auf entgegenkommende Reisende und es waren - wie sollte es anders sein - ebenfalls Schweizer. Den nächsten Stopp planten wir in den 80 bis 100 Meter hohen Sanddünen des Erg Chegaga.
Kurz vor Sonnenuntergang trafen wir dort ein. Die Dünen wurden in ein wunderschönes warmes Licht getaucht. Wir hatten sie erklommen und eine atemberaubende Aussicht genossen. Weil der Wind immer noch heftig durch die Dünen fegte, mussten wir unser Abendessen in unserem Troopy zubereiten und einnehmen.
Am nächsten Tag ging es weiter zum ausgetrockneten Lac Iriki. In der Regenzeit wird der Lac Iriki vorübergehend ein Sumpfgebiet und bietet Zugvögeln wie Flamingos, Blässhühnern und Gänsen einen Rast- oder Überwinterungsplatz. Der Untergrund des ausgetrockneten Sees war hart gepresst, glitzerte und flimmerte in der Sonne wie ein riesiger Spiegel. Zum ersten Mal in unserem Leben sahen wir mit eigenen Augen «Fata Morganas». Und tatsächlich hatten wir mehrmals das Gefühl, dass wir uns auf einen See oder auf ein Gewässer zubewegten, was natürlich nie der Fall war. Auf unserer Fahrt über den ausgetrockneten See sahen wir auch kugelförmigen Gebilde, die wie Steine aussahen. Erst aus der Nähe bemerkten wir, dass es sich um Pflanzen handelte, und zwar um die Rosen von Jericho. Die Heimat der Rose von Jericho liegt in einem Wüstengürtel von Israel bis Jordanien und einigen Wüstengebieten Nordafrikas, vornehmlich in Marokko. Der Wind treibt das kugelartige Gebilde oft kilometerweit über den Sand- und Steppenboden. In der eingerollten Rosette ist der Samen geschützt. Fällt der langersehnte Regen, öffnet sich der Steppenläufer und die Samen fallen raus. Abgefallene Samen keimen an Ort und Stelle.
Weiter fuhren wir durch abwechselnd sandige und steinige Pisten, passierten kleinere Oasen. Kurz vor der kleinen Ortschaft Foum Zguid verliessen wir die Pisten. Da wir wieder auf asphaltierte Strassen trafen, war das Aufpumpen der Reifen angesagt.
Wunderbar waren die Tage in der Wüste. Wir hatten die absolute Ruhe und Einsamkeit sehr genossen. Gerne wären wir länger geblieben. Aber unser Entscheid, die Wüste zu verlassen erwies sich am folgenden Tag als richtig. Für uns war aber klar, wir waren nicht das letzte Mal in der Wüste.